Anand gegen Carlsen: Das Duell, Teil 9

2013anandvscarlsenAm Donnerstag, den 7. November 2013, fällt im indischen Chennai der offizielle Startschuss zum Weltmeisterschaftskampf zwischen Vishy Anand und Magnus Carlsen. Die erste Partie beginnt zwei Tage später, am 9. November, 15 Uhr Ortszeit, das entspricht 10:30 deutscher Zeit. Auch diese Serie, die einen Blick auf die 29 Partien geworfen hat, die Anand und Carlsen vor ihrem Match gegeneinander gespielt haben, ist in der Gegenwart angekommen. In dieser, der neunten Folge betrachte ich die drei Partien, die Anand und Carlsen 2013 vor ihrem Match gegeneinander gespielt haben, im nächsten, dem zehnten und letzten Artikel der Reihe, wage ich dann rechtzeitig vor der ersten Partie eine Prognose, wie der Wettkampf verlaufen wird. Doch Weltmeisterschaft hin oder her, auf alle Fälle begann das Jahr 2013 mit einem Triumph für Carlsen.

:Er gewann das prestigeträchtige Tata Steel Turnier souverän mit 10 aus 13. Mit 1,5 Punkten Abstand landete Levon Aronian auf Platz zwei, einen halben Punkt dahinter kam Anand auf Platz drei ins Ziel. Carlsen, der bei den London Chess Classic Ende 2012 einen neuen Elo-Rekord aufgestellt hatte, gewann in Wijk aan Zee noch einmal 11 Elo-Punkte hinzu und kam so in der FIDE-Weltrangliste vom Februar 2013 auf 2872 Punkte – die höchste je erreichte Elo-Zahl in der Geschichte des Schachs.

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Doch in der Partie gegen Anand geschah das, was in den Begegnungen zwischen Carlsen und Anand in Wijk aan Zee schon so oft geschah: Man einigte sich nach nur wenigen Zügen auf Remis.

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Weniger souverän als in Wijk spielte Carlsen dann beim Kandidatenturnier im März in London. Er startete furios und sah lange Zeit wie der sichere Sieger aus, aber in der zweiten Hälfte des Turniers kam Sand ins Getriebe des norwegischen Schachwunders und er punktete nicht mehr so souverän. Dafür lief Vladimir Kramnik zu großer Form auf und gewann eine Partie nach der anderen.

Das schien Carlsen, der in so vielen allen anderen Turnieren in den Entscheidungsphasen immer ruhig und kaltblütig gewirkt hatte, nervös zu machen. Aus den letzten drei Partien holte der Norweger nur noch einen Punkt und nach einer dramatischen Schlussrunde, in der Carlsen und Kramnik beide verloren (Carlsen gegen Svidler, Kramnik gegen Ivanchuk) teilten sich die beiden am Ende mit je 8,5 aus 14 den ersten Platz. Ein Stichkampf um den Turniersieg und das Recht, gegen Anand um die WM zu spielen, war nicht vorgesehen. Stattdessen entschied die höhere Zahl der Gewinnpartien. Und da Carlsen eine Partie mehr gewonnen – und damit auch automatisch eine Partie mehr verloren – hatte, kommt es jetzt zum WM-Kampf zwischen Carlsen und Anand.

Die zwei Partien, die Carlsen und Anand 2013 nach dem Kandidatenturnier und vor dem Wettkampf noch gegeneinander spielten, wurden so zu einer Art Auftakt des Wettkampfs, einem Kräftemessen mit vor allem psychologischer Bedeutung.

Die erste dieser beiden Partien spielten Anand und Carlsen im Mai 2013 beim Norway Masters. Und da bei diesem Spitzenturnier mit Hilfe eines Blitzturniers ausgelost wurde, hatten Zuschauer in aller Welt die Möglichkeit, Carlsen und Anand beim Blitzen zuzuschauen.

Die Blitzpartie verlief ausgeglichen und endete Remis, doch in der klassischen Partie übernahm Carlsen nach ausgeglichener Eröffnung die Initiative.

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Daniel King kommentiert die Partie

 

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Magnus Carlsen beim Tal Memorial (Foto: Eteri Kublashvili)

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Vishy Anand beim Tal Memorial (Foto: Eteri Kublashvili)

Doch in der anschließenden Pressekonferenz, in der Carlsen die Partie noch einmal erläuterte, spielte Carlsen die Bedeutung dieses Sieges herunter. Er meinte, Anand hätte einen wirklich schlechten Tag erwischt und erklärte: „Ich kann nicht damit rechnen, dass er bei der WM jeden Tag einen schlechten Tag hat. Ich muss auf das Schlimmste gefasst sein. Dass er sein Bestes zeigt und keine Geschenke verteilt – wie er es heute gemacht hat.“


Ob sich diese Verlustpartie auf Anands Psyche ausgewirkt hat oder ob eine missglückte Generalprobe die beste Vorbereitung für eine gelungene Premiere ist, erfahren wir vielleicht schon nächsten Samstag bei der ersten Partie des Wettkampfs.

Eine Zusammenfassung des Verlaufs der bisherigen Partien und eine Prognose, wie der Wettkampf verläuft und wer ihn gewinnen wird, kann man im nächsten Blogbeitrag über das Duell zwischen Vishy Anand und Magnus Carlsen lesen.

Was bislang geschah:

Anand gegen Carlsen: Das Duell, Teil 1

Anand gegen Carlsen: Das Duell, Teil 2

Anand gegen Carlsen: Das Duell, Teil 3

Anand gegen Carlsen: Das Duell, Teil 4

Anand gegen Carlsen: Das Duell, Teil 5

Anand gegen Carlsen: Das Duell, Teil 6

Anand gegen Carlsen: Das Duell, Teil 7

Anand gegen Carlsen: Das Duell, Teil 8

Siehe auch: Schulmeisterliche Kritik: Wie man starkes Schach zernörgelt: Eine Besprechung von Adrian Michaltschischins und Oleg Stetskos Kämpfen und Siegen mit Magnus Carlsen

Offizielle Seite zum Weltmeisterschaftskampf in Chennai

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4 Gedanken zu “Anand gegen Carlsen: Das Duell, Teil 9

  1. Remy.Heimers

    Zum Kandidatenfinale schreiben Sie: “Aus den letzten drei Partien holte der Norweger nur noch einen halben Punkt”. Das stimmt nicht ganz. In der vorletzten Runde hat Carlsen gegen Radjabov gewonnen. Natürlich scheint es von Nervosität zu zeugen, wenn man die letzten beiden Weißpartien (gegen Ivanchuk und Svidler) verliert.
    Man kann die Schlussphase des Turniers aber auch anders lesen. Nach Carlsens Niederlage in der drittletzten Runde gegen Ivanchuk hatte Kramnik plötzlich die Führung übernommen. Carlsen stand also mit Schwarz gegen Radjabov unter Zugzwang. Und Carlsen zeigte sich dem Druck gewachsen. Geduldig überspielte er seinen Gegner im typischen Carlsen-Stil im Endspiel und zog damit wieder mit Kramnik gleich. In der letzten Runde lastete dann auf beiden, auf Kramnik und Carlsen, ein gewaltiger Druck. Das Ergebnis kennen wir.
    Mit freundlichen Grüßen
    Remy Heimers

    1. Johannes Fischer Artikel Autor

      Lieber Remy Heimers,

      vielen Dank für den Hinweis. Sie haben natürlich Recht. Ich hatte das Ende des Kandidatenturniers anders erinnert und war so unvorsichtig, mich auf mein – wohl offensichtlich schwächer werdendes – Gedächtnis zu verlassen.

      Ich habe die entsprechende Passage im Text geändert (also nicht wundern, wenn man sie nicht mehr findet). Und Sie haben natürlich auch Recht damit, dass man die Schlussphase des Kandidatenturniers anders interpretieren kann. Allerdings bleibt der Fakt, dass Carlsen im Laufe des Turniers einen beachtlichen Vorsprung eingebüsst hat – außerdem wirkte er auf Fotos und Videos des Kandidatenturniers ungewöhnlich nervös.

      Ich glaube aber auch, dass er aus diesen Erfahrungen im Kandidatenturnier gelernt hat und dadurch noch stärker geworden ist.

      Mit freundlichen Grüßen

      Johannes Fischer

  2. Baskuele09

    Hallo Herr Fischer,

    ich bin wahrlich begeistert über den Informationsgehalt Ihrer Seite. Herzlichen Dank für Ihre Mühe! Bleibt nur noch viel Freude zu wünschen bei der Analyse der kommenden WM-Partien.

    1. Johannes Fischer Artikel Autor

      Vielen Dank für das Kompliment! Die ersten beiden Partien boten ja leider nicht allzu viel Stoff für schachliche Analysen. Das wird hoffentlich (und sicher) anders. Ich bin gespannt.

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