2011 war im Duell zwischen Vishy Anand und Magnus Carlsen ein ungewöhnlich friedliches Jahr. Keiner der beiden konnte den anderen besiegen und so trennten sie sich fünf Mal Remis, zumeist unspektakulär. Um Langeweile vorzubeugen, möchte ich deshalb im folgenden Artikel diese fünf Remispartien kurz vorstellen, um danach einen Schlenker zu einigen der Schnellpartien zu machen, die Anand und Carlsen 2011 gegeneinander gespielt haben. Anschließend folgt noch eine kurze Übersicht über aktuelle Berichte zur WM. Denn das Match beginnt ja bereits in zwei Wochen und das Medienecho auf den Wettkampf wird täglich stärker.
Die erste der fünf Remispartien spielten Anand und Carlsen beim Tata Steel Turnier in Wijk aan Zee. Einmal mehr schien es, als hätten die beiden irgendwann einmal beschlossen, sich beim Traditionsturnier in Wijk nicht wehzutun. Denn wie schon so oft in Wijk trennten sie sich auch dieses Mal kurz und schmerzlos Remis.
Gesamtbilanz
Was das Turnier selbst betrifft, so hätte sich Carlsen wahrscheinlich einen besseren Jahresauftakt gewünscht. Er verlor zwei Mal (gegen Anish Giri und Ian Nepomniachtchi) und landete am Ende mit 8 aus 13 zusammen mit Levon Aronian auf dem geteilten dritten bis vierten Platz. Triumphaler Turniersieger war Hikaru Nakamura mit 9 aus 13, Anand wurde Zweiter mit 8,5 aus 13. Später erklärte der Weltmeister, dies „sei sein letztes erfolgreiches Turnier gewesen“.
Erst im Herbst spielten Anand und Carlsen dann wieder im klassischen Schach gegeneinander, beim Grand Slam Finale. Wie der englische IM Colin Crouch in seinem Buch Magnus Force, das vor kurzem und gerade rechtzeitig zum WM-Kampf erschienen ist, erläutert, hatte Carlsen 2010 und zu Beginn des Jahres 2011 eine ungewöhnlich hohe Zahl von Partien verloren. Das scheint den Norweger veranlasst zu haben, in späteren Turnieren 2011 weniger riskant zu spielen. Wie in seiner Partie gegen Anand in der Hinrunde des Grand Slam Finales in Sao Paulo. Carlsen hatte Schwarz und kam mit der Berliner Verteidigung problemlos zu einem Remis.
Gesamtbilanz
Etwas spannender verlief die Rückrunde des Grand Slam Finales, die nicht im brasilianischen Sao Paulo, sondern im spanischen Bilbao stattfand. Carlsen hatte Weiß und nach ausgeglichener Eröffnung nahm Anand eine Zersplitterung seiner Bauernstellung in Kauf, um Carlsen mit aktivem Figurenspiel unter Druck zu setzen. Doch Carlsen wehrte alle Drohungen ab und schien danach zu versuchen, seine minimalen Vorteile in einem Endspiel zur Geltung zu bringen. Das gelang ihm jedoch nicht und so endete auch diese Partie mit Remis.
Gesamtbilanz
In dem Turnier selbst feierte Carlsen allerdings einen weiteren Erfolg. Mit einem starken Schlussspurt in Bilbao holte er Vassily Ivanchuk, der die Hinrunde in Sao Paulo dominiert hatte, auf der Zielgeraden ein. Am Ende teilten sich Carlsen und Ivanchuk mit 15 Punkten aus 10 Partien (gespielt wurde mit 3-Punkt-Regel) den ersten Platz. Den Blitz-Tiebreak entschied Carlsen mit 2:0 klar für sich.
Zwei Monate später trafen Anand und Carlsen im November beim Tal Memorial in Moskau wieder aufeinander und wieder kam es zu einem unspektakulären Remis. Carlsen hatte Schwarz und in einem Grünfeld-Inder kam es zu schnellen Vereinfachungen und einem ausgeglichenen Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern.
Gesamtbilanz
In der Tabelle konnte Carlsen Anand jedoch einmal mehr hinter sich lassen. Carlsen blieb ohne Niederlage, gewann zwei Partien und spielte sieben Unentschieden. Mit 5,5 aus 9 teilte er sich am Ende so mit Levon Aronian Platz eins. Anand remisierte alle neun Partien.
Den Abschluss des Jahres bildeten die London Chess Classic, doch auch die fünfte Begegnung zwischen Anand und Carlsen im Jahre 2011 änderte nichts an der insgesamt sehr ausgeglichenen Bilanz. Carlsen hatte Schwarz und erzielte in der Tartakower-Variante des Damengambits mühelos Ausgleich. Ja, nach zahlreichem Abtausch schien sogar er derjenige zu sein, der das Tempo diktierte und sich einem frühen Remis verweigerte. Doch Anand hatte keine Mühe, Carlsens Gewinnversuche abzuwehren.
Gesamtbilanz
Doch auch in London landete Carlsen vor Anand. Das Turnier gewann er allerdings nicht. Stattdessen triumphierte Vladimir Kramnik, der mit 6 aus 8 eine überzeugende Vorstellung ablieferte. Carlsen teilte sich mit einem halben Punkt Rückstand zusammen mit Hikaru Nakamura die Plätze zwei und drei.
Schnellpartien
Inhaltsreicher als die Partien im klassischen Schach verliefen einige der Schnellpartien, die Anand und Carlsen sich 2011 lieferten. Beim 20. und letzten Melody Amber Turnier, bei der traditionell Blind- und Schnellschach gespielt wurde, gewann Anand die Blindpartie gegen Carlsen, aber verlor die Schnellpartie. Eine Partie, die vor allem interessant ist, weil Carlsen sie im ChessBase Magazin 142 selber kommentiert hat. Nachstehend folgt ein ins Deutsche übersetzter Auszug dieser Kommentare.
Die Revanche gelang Anand etwa ein halbes Jahr später, im September beim Botwinnik-Schnellschach-Memorial in Moskau. Anand und Carlsen spielten zwei Schnellpartien gegeneinander und diesen Mini-Wettkampf gewann Anand mit 1,5:0,5. In der ersten Partie profitierte er dabei von einem Fehler Carlsens, der eine gleichstehende Stellung auf Gewinn spielte und dabei überzog.
Im Web entdeckt
Am 7. November 2013 beginnt der WM-Kampf in Chennai, am 9. November wird die erste Partie gespielt. Das ist nicht mehr lange hin. Und das heißt nicht nur, dass ich mich beeilen muss, um diese Serie noch rechtzeitig zum Abschluss zu bringen, sondern bedeutet auch, dass immer mehr Berichte über den Wettkampf im Internet veröffentlicht werden. Nachfolgend eine kleine, natürlich unvollständige, Auswahl.
Auf der deutschen ChessBase-Seite erschien vor kurzem ein Vorbericht über den Wettkampf, der sich unter anderem damit beschäftigte, wie sich Anand und Carlsen auf das Match vorbereiten und wie ihr Team aussieht.
Und auf der englischsprachigen ChessBase-Seite erschien vor kurzem ein Artikel von Matthew Lunn, der sich ausführlich und unter Berücksichtigung einer Reihe von Faktoren wie „Form“, „Matcherfahrung“ oder „Spielort“ mit den Chancen beider Seiten beschäftigt und sogar eine Prognose wagt.
Beim Schach-Ticker kann man hingegen abstimmen, wer den Wettkampf gewinnt. Wer ganz genau wissen will, wie lange man noch warten muss, bis das Match beginnt, ist bei Chessvibes richtig. Dort gibt es einen Counter, der die Tage, Stunden, Minuten und Sekunden bis zum Wettkampfbeginn herunterzählt.
Einen solchen Counter gibt es allerdings auch auf dem Blog Mate in Chennai, der von Eric van Reem betrieben wird. Eric van Reem schreibt gut, unterhaltsam und informativ und hat schon über zahlreiche Veranstaltungen und Wettkämpfe Anands berichtet. Außerdem verfügt er über eine Menge Insiderinformationen. Mithin jetzt und auch in der Zeit des Wettkampfs eine Seite, die man im Auge behalten sollte.
Und auch die von Mike Rosa betreute Seite der Chess Tigers ist immer einen Besuch wert, umso mehr, wenn man Informationen über Anand und das kommende WM-Match sucht.
Das ist, glaube ich, erst einmal genug Stoff zur Einstimmung. Aber ich werde sehen, dass ich auf meiner Facebook-Seite im Laufe der nächsten Tage weitere Links mit interessanten Informationen, Porträts und Interviews mit oder über Vishy Anand und Magnus Carlsen veröffentliche.
Ob die Begegnungen der beiden 2012 auch so friedlich verliefen wie 2011 erfährt man im nächsten Blogbeitrag über das Duell zwischen Vishy Anand und Magnus Carlsen.