Macht der Gegner keinen Fehler, kann man im Schach nicht gewinnen. Und da man in komplizierten Stellungen leichter Fehler macht als in einfachen, streben Spieler, die gewinnen wollen, gern nach Komplikationen. Bewusst oder unbewusst befolgen sie dabei die Maximen des Strategems Nr. 20 der ehemals geheimen chinesischen 36 Strategeme: „Das Wasser aufwühlen, um den Fisch zu fangen“. Ein großer Experte dieser Strategie war der Däne Bent Larsen.
Bent Larsen (geboren am 4. März 1935 im dänischen Thisted, gestorben am 9. September 2010 im argentinischen Buenos Aires) gehörte in den 60er Jahren und Anfang der 70er zu den stärksten und erfolgreichsten Spielern der Welt. Er galt als originell und kämpferisch und verblüffte immer wieder mit neuen und ungebräuchlichen Eröffnungsideen.
Doch nicht nur das. So schreibt Yasser Seirawan in Chess Duels: „Bent Larsen ist mein wahrer Schachheld und dieses Buch ist ihm gewidmet. Von all den Meistern, die ich je getroffen habe, bewundere ich Bent am meisten. Das liegt nicht nur an der Stärke seines Charakters, seinem außergewöhnlichen Geist, seiner Sprachbegabung, seinem wunderbaren Sinn für Humor und seinem absoluten Siegeswillen am Brett. Er hat alle diese Eigenschaften und noch viel, viel mehr: Er ist ein Mensch mit Charakter, mit Prinzipien, und am wichtigsten, er ist außerdem ein wirklich freundlicher, herzlicher Mensch. … Er ist so welterfahren und anständig wie man es nur sein kann. Ich liebe ihn!“ (Yasser Seirawan, Chess Duels, Everyman 2010, S. 46)
Yasser Seirawan
„Über meinen Stil“ schreibt Larsen in seinem schönen Buch Alle Figuren greifen an: „Wenn Sie sich meine Turnierergebnisse ansehen, werden Sie feststellen, dass meine Remisquote deutlich unter dem Durchschnitt liegt. Ich halte nichts davon, mit Schwarz auf Remis und mit Weiß auf Sieg zu spielen. Meiner Ansicht nach ist es sinnlos, vor einem Meister den Hut zu ziehen, weil er in einem Turnier ohne Niederlage geblieben ist, wenn er damit nur z.B. den fünften Platz belegt. Zumeist hat er dann betont vorsichtig und ohne Inspiration gespielt, seine Partien wecken kaum das Interesse des Publikums, und die Gegner sehen in der Begegnung mit diesem ‚Friedensapostel’ eine willkommene Atempause während des kräfteraubenden Turniers.“ (Bent Larsen, Alle Figuren greifen an, SchachDepot Verlag 2009, S. 181)
Larsen hatte keine Angst, Risiken einzugehen, um den Gegner vor Probleme zu stellen, er liebte es, das „Wasser zu trüben, um den Fisch zu fangen“ und machte das mit großem Geschick. Die folgende Partie gegen den jugoslawischen Meister Iztok Jelen ist typisch. Entdeckt habe ich sie allerdings nicht in Larsens Buch, sondern in Best Chess Games, 1970-1980 von Jon Speelman, einem meiner Lieblingsschachbücher und eine wahre Fundgrube aufregender, unterhaltsam und analytisch tiefschürfend kommentierter Schachpartien.
Gespielt wurde die Partie beim Großmeisterturnier Ljubljana/Portoroz 1977. Larsen gewann dieses Turnier mit 9,5 aus 13, Zweiter wurde Vlastimil Hort mit 9 aus 13. Seinen Turniersieg verdankt Larsen unter anderem der Tatsache, dass er gegen die sechs Spieler am Tabellenende 6 aus 6 holte. Das ging nicht immer ohne Risiko.