Hart umkämpft: Der Wettkampf Euwe gegen Keres

Zweikämpfe zwischen Spitzenspielern sind nicht immer unterhaltsam, oft führt das hohe Niveau zu vielen Remis. Doch beim Wettkampf zwischen Max Euwe und Paul Keres 1939/1940 war das anders. Keres und Euwe gehörten damals zu den besten Spielern der Welt, aber schenkten sich nichts und suchten in fast allen Partien den offenen Schlagabtausch. Das senkte die Remisquote: 14 Partien wurden im Wettkampf gespielt, 3 endeten Remis, 11 wurden entschieden. Am Ende gewann Keres mit 7,5:6,5.

Die Vorgeschichte

1935 war Euwe nach einem überraschenden Wettkampfsieg gegen Alexander Aljechin Weltmeister geworden, zwei Jahre später, 1937, hatte er den Titel im Revanchewettkampf gegen Aljechin wieder verloren. Aber nach wie vor gehörte zu den stärksten Spielern der Welt. Euwe war zwar Zeit seines Lebens Amateur und ging einem Beruf nach, statt sein ganzes Leben dem Schach zu widmen, aber er hatte den Vorteil in Holland zahlreiche Unterstützer zu haben. Das „Euwe-Komitee“ sorgte dafür, dass der Holländer an starken internationalen Turnieren teilnehmen und in Wettkämpfen gegen Topspieler antreten konnte.


Max Euwe 1963 (Foto: Harry Pot, Wikipedia)

So hatte das „Euwe-Komitee“ den Amerikaner Reuben Fine, der zusammen mit Keres beim AVRO-Turnier 1938 geteilter Erster geworden war, zu einem Wettkampf gegen Euwe eingeladen, aber der hatte wegen der „angespannten internationalen Situation“ abgelehnt. Nach der Absage Fines fragte das Komitee Keres, ob er ein Wettkampf gegen Euwe spielen wollte. Als er die Einladung erhielt, spielte Keres gerade bei der Schacholympiade 1939 in Buenos Aires. Während der Olympiade brach in Europa der Zweite Weltkrieg aus, aber in seinem Buch mit Ausgewählten Partien erwähnt Keres den Kriegsbeginn in seiner beinahe bis zur Karikatur verzerrten Vermeidung aller politischen Themen mit keinem Wort. Ausführlicher spricht er jedoch über die Olympiade und den Wettkampf gegen Euwe.

„Weiter folgte die Teilnahme an der Schacholympiade, die diesmal in Buenos Aires durchgeführt wurde. Fast alle europäischen Mannschaften legten den weiten Weg mit demselben Schiff zurück, und dies ermöglichte neben schöner Erholung auch noch ein gutes schachliches Training. Daher spielte ich auch auf der Olympiade leicht, ohne besondere Anstrengung und erreichte am ersten Brett das zweitbeste Ergebnis. … Nach der Olympiade hielt ich mich noch eine Zeitlang in Argentinien und beteiligte mich am Turnier eines der örtlichen Schachklubs. … Bevor ich nach Buenos Aires fuhr, hatte ich mit Dr. Euwe prinzipiell vereinbart, einen Freundschaftskampf auszutragen. Obwohl es sich offiziell um einen Freundschaftskampf handelte, war doch anzunehmen, dass der Sieger in den Augen der breiten Schachöffentlichkeit das moralische Recht haben würde, Weltmeister Aljechin herauszufordern. … In Buenos Aires erreichte mich nun das Telegram von Euwe, dass alle Vorbereitungen für unseren Freundschaftskampf getroffen seien, und dass der Kampf schon am Jahresende beginnen sollte. Ich beeilte mich also, sofort nach Hause zu fahren, und in den letzten Dezembertagen sassen wir schon in Amsterdam am Schachbrett einander gegenüber.“


Paul Keres als junges Talent (Foto: Valter Heuer)

Der Wettkampf

Der Kampf begann Heiligabend, den 24. Dezember 1939. Und er begann ruhig, die beiden ersten Partien endeten Remis. Doch nach dem ersten Abtasten ging es Schlag auf Schlag und die nächsten zehn Partien endeten alle mit einer Entscheidung. Dann sicherte sich Keres mit einem Remis in Partie 13 den Gesamtsieg. Doch Euwe gewann die letzte Partie des Wettkampfs und verkürzte zum 7,5-6,5 Endstand.

Keres und Euwe spielten beide gerne kompromisslos auf Angriff und das erklärt die niedrige Remisquote. Keres’ schönster Sieg des Wettkampfs gelang ihm in Partie 9.

Ein so glanzvoller Sieg gelang Euwe in diesem Wettkampf nicht, aber in seiner nächsten Weißpartie revanchierte er sich mit einem schwungvollen Angriff. Tatsächlich war er, wie heutige Engines zeigen, etwas zu schwungvoll. Gespielt wurde diese Partie am 7. Januar 1940, an Keres’ 24. Geburtstag. Vor der Partie überreichten Euwe und seine Frau dem Geburtstagskind Geschenke und gratulierten, aber als die Partie begann war alle Harmonie verflogen.

Insgesamt spielten Keres und Euwe in ihrer Karriere 27 Partien gegeneinander. Das Gesamtergebnis lautete 15,5-11,5 für Keres (+11, =9, -7). Und in Keres’ Buch mit Ausgewählten Partien 1931 – 1958 hat Keres nicht weniger als sechs seiner Partien gegen Euwe aufgenommen, nur Smyslow ist mit sieben Partien häufiger vertreten. Das erste Mal trafen sie beim Turnier in Zandvoort 1936 aufeinander, und bei dieser Premiere musste der international noch wenig erfahrene Keres Lehrgeld zahlen und verlor. Ihre letzte Partie spielten Keres und Euwe bei der Schacholympiade 1960 in Leipzig. Sie endete mit einem Remis.

Siehe auch:

Einen ausführlichen Essay über Paul Keres veröffentlichte André Schulz am 5. Juni 2003 anlässlich des Todestages von Keres bei ChessBase.

Auch KARL hat sich in einem Schwerpunkt mit Figur und Schach von Paul Keres beschäftigt. In Heft 2/2004, für mich immer noch eins der schönsten der vielen schönen KARL-Hefte.

Dort erschien auch der Artikel In Estland ein Nationalheld, in dem ich der Frage nachgehe, warum Paul Keres in Estland so beliebt ist – zu seiner Beerdigung kamen Hunderttausende, sein Bild zierte den estnischen 5-Kronen-Schein und er wurde unter anderem zum estnischen Sportsmann des 20. Jahrhunderts gewählt.

Fakten, Daten und Grundsätzliches gibt es bei Wikipedia.

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