Schachklassiker: Starke Bauern

weisserbauerTja, die Bauern. Bekanntlich die schwächsten Steine auf dem Brett. Sie sind langsam, schwerfällig und werden gerne geopfert. Doch da es auf jeder Seite acht von ihnen gibt, besitzen sie viel Einfluss. Ihre Aufstellung und ihre Struktur gibt den Figuren Tempo und Richtung vor und geht auch nur ein Bauer verloren, kann das schon entscheidend sein. Außerdem hat niemand auf dem Brett so viel Potenzial wie die Bauern, denn schafft es einer von ihnen auf die letzte Reihe, verwandelt er sich in eine Figur seiner Wahl. Eine der schönsten Regeln im Schach. Sie sorgt für Spannung bis ins Endspiel hinein, hat zahllose Studien inspiriert und zu wunderbaren Partien geführt.

Eine der reizvollsten Freibauern-Partien der Schachgeschichte ist ein Klassiker aus dem 19. Jahrhundert. Fast könnte man meinen, dies sei die erste moderne Schachpartie, denn in seiner mehrbändigen Reihe über seine Vorgänger stellte Garry Kasparov diese Partie ganz an den Anfang und auch im 1998 erschienenen Mammoth’s Book of The World’s Greatest Chess Games von John Nunn, Graham Burgess und John Emms ist diese Partie die Nummer eins.

Gespielt haben sie der Ire Alexander McDonnell und der Franzose Charles Mahé de Labourdonnais 1834 in London.

Wirklich eine bemerkenswerte Schlussstellung. Immer, wenn ich sie sehe, bin ich erstaunt, dass sie in einer praktischen Partie aufs Brett gekommen ist und nicht durch Fälschung, Analyse oder Studie.

Noch ein paar historische Informationen

Alexander McDonnell, der Anfang des 19. Jahrhunderts als einer der stärksten Spieler der Welt galt, wurde am 22. Mai 1798 im irischen Belfast geboren und starb am 14. September 1835 in London. Wie Kenneth Whyld und David Hooper im Oxford Companion to Chess berichten, war McDonnell „Sohn eines Arztes, verbrachte ein paar Jahre in Westindien und arbeitete später als Geschäftsführer des Komitees Westindischer Kaufleute in London“. Über McDonnells Schach heißt es im Oxford Companion: „McDonnells Kombinationsspiel war gelegentlich brillant, aber sein Spiel in der Eröffnung … und seine Technik waren schwächer. (…) Während Bourdonnais schnell und mit Leichtigkeit spielte, dachte McDonnell lange über seine Züge nach und war am Ende einer Partie oft erschöpft (…). Seine Zeitgenossen glaubten, dass diese langen Phasen der Anspannung seinen durch ein Nierenleiden verursachten Tod beschleunigt haben. Seine Partien galten als die besten bis dahin je gespielten und wurden zunächst in England veröffentlicht, wo sie das Interesse am Schach stark angeregt haben.“

McDonnells großer Rivale war der Franzose Louis-Charles Mahé de Labourdonnais.

220px-Louisdelabourdonnais
Louis-Charles Mahé de Labourdonnais (Foto: Wikipedia)

Labourdonnais wurde 1795 auf der Insel Réunion geboren, wo sein Großvater Gouverneur gewesen war, und starb am 13. Dezember 1840 in London. Schach lernte Labourdonnais 1814 in Paris, wohin ihn seine Familie geschickt hatte, damit er dort zur Schule gehen konnte. Schon bald wurde das Schach Labourdonnais’ große Leidenschaft und er verbrachte Tage und Nächte im berühmten Pariser Café de la Régence und verdiente sein Geld mit dem Schachspielen. Mitte der 1820er Jahre hatte er alle bedeutenden Spieler in Frankreich und England geschlagen und galt als der beste Spieler der Welt.

Die Wettkampfserie mit McDonnell, die 1834 stattfand und in der auch die obige Partie gespielt wurde, wird deshalb gerne als „inoffizielle Weltmeisterschaft“ bezeichnet. Von Juni bis Oktober 1834 spielten die beiden im Londoner Westminster Club in sechs Wettkämpfen insgesamt 85 Partien gegeneinander. Labourdonnais gewann dieses Marathonduell am Ende mit 45 Siegen, 27 Niederlagen und 13 Remis.

1836 gründete Labourdonnais Le Palamède, die erste Schachzeitschrift der Welt, doch dann traf ihn eine Reihe von Schicksalsschlägen. 1838 bekam er einen Schlaganfall, später erkrankte er zudem an Wassersucht. Ein Jahr später verlor Labourdonnais seinen Posten als Sekretär des Pariser Schachklubs, der aufgelöst wurde. Das familiäre Vermögen hatte Labourdonnais bereits Anfang der 1830er Jahre aufgebraucht und verspekuliert und nach dem Verlust seines Einkommens geriet er in bittere Armut.

Im November 1840 reiste er noch einmal nach London, um im Simpson’s Divan gegen Geld öffentliche Vorgabepartien zu spielen, doch nur einen Monat erlag er seiner Krankheit. Wie sein Rivale Alexander McDonnell wurde Labourdonnais auf dem Friedhof Kensal Green begraben.

error

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert