Radfahren extrem: Juliana Buhring „Mein Weltrennen“

Juliana Buhring (© Privat)

Juliana Buhring ist mit dem Fahrrad einmal um die Welt gefahren. Am 23. Juli 2012 startete sie in Neapel, 152 Tage und 29.060 Kilometer später, am 22. Dezember, kam sie dort wieder an. 144 dieser 152 Tage hat sie auf dem Rad verbracht und dabei im Schnitt 200 Kilometer pro Tag bewältigt. Krankheit und Flüge forderten acht Tage als Tribut. Sie durchquerte 19 Länder und vier Kontinente und schaffte es ins Guinness Buch der Rekorde. Was Buhring auf ihrer Reise erlebt hat, beschreibt sie in ihrem Buch Mein Weltrennen: Wie ich als erste Frau in nur 144 Tagen mit dem Rad die Welt umrundete.

Die Idee zu dieser Extrem-Radtour kam Buhring in einer schweren Lebenskrise. 2010 wurde ihr Freund, der Abenteurer Hendri Coetzee, bei einer Expedition auf dem Lukuga-Fluss im Kongo von einem Krokodil angefallen und getötet. Im Geiste von Coetzee sucht Buhring nach einer Herausforderung, um den Schmerz über den Tod ihres Freundes zu überwinden. Als sie im Internet liest, dass der Schotte Mark Beaumont 2008 die Welt in 194 Tagen auf dem Rad umrundet und dabei 29.445 Kilometer zurückgelegt hat, wirkt das wie eine Initialzündung:  “In dem Moment spürte ich die Erregung im Bauch wie einen kleinen Knoten. Das wäre doch mal ein echtes Abenteuer auf dem Fahrrad. Die Tatsache, dass ich noch nie ernsthaft Radsport betrieben hatte, würde die Herausforderung nur umso spannender machen.“ (S.27)

Um zu wissen, ob Radfahren etwas für sie ist, unternimmt Buhring zur Einstimmung mit einem Freund erst einmal eine Radtour von Berlin nach Kopenhagen, „entspannte Fahrradferien, bei denen wir höchstens 60 Kilometer pro Tag zurücklegten“. Dann wird es ernst:

Ich machte mich daran, alles über Weltumrundungen per Fahrrad zu recherchieren: Nick Sanders setzte 1984 den ersten Rekord. Er legte 20.921 Kilometer in 78 Tagen zurück. Vin Cox verbesserte ihn 2010 auf 28.968 Kilometer in 165 Tagen. Aber ich konnte nichts dazu finden, dass es eine Frau je versucht hätte. Aus reiner Neugier schickte ich eine Anfrage an Guinness World Records: … Die Antwort bestätigte das Resultat meiner Recherchen, es bestand kein Rekord für Frauen, die per Fahrrad die Welt umrundet hatten. … War die Welt für Frauen wirklich so gefährlich? Oder waren Frauen körperlich nicht in der Lage, dieselben Distanzen und Geschwindigkeiten zu fahren wie Männer? … Da es keinen Rekord von einer Frau gab, beschloss ich, mir die Männerbestzeit von 165 Tagen vorzunehmen.“(S. 30-31)


Juliana Buhring (© Privat)

Ein ehrgeiziges Unterfangen:

Für jemanden, der der noch nie mit dem Rad Rekorde geknackt oder in den letzten zehn Jahren überhaupt ernsthaft Sport getrieben hatte, war allein die körperliche Seite schon eine gewaltige Herausforderung. Meine Erfahrungen auf dem Rad beschränkten sich auf das Herumkurven auf dem Schulhof, als Sechsjährige und noch mit Stützrädern, auf den Deutschland-Dänemark-Trip. (S.31)

Am 23. Juli will Buhring starten, doch am 11. Juli erhält sie die Nachricht von Guiness World Records, dass man die Regeln für Rekorde für „die schnellste Weltumrundung per Fahrrad“ geändert hat: „‚Da es bisher keinen weiblichen Rekord gibt’, legt Guinness die Zeitgrenze auf 150 Tage fest, ‚inklusive Transfers, Ruhezeiten und so weiter’.“ (S.41) Eine merkwürdige Entscheidung, denn, wie Buhring sagt, hatte „keiner der Männer den Rekord in weniger als 150 Tagen Fahrzeit aufgestellt, geschweige denn in derselben Gesamtzeit, die ja auch alle Transite umfasst. Eine Woche später – wahrscheinlich aufgrund massiver Proteste – ändert Guinness die Regeln noch einmal: jetzt muss ‚solch ein Rekord innerhalb von 175 Tagen oder weniger erbracht werden’. (S.43)

Auch die Finanzierung der Reise ist noch nicht gesichert, es fehlt Geld für Flüge, Unterkunft Verpflegung. Buhring hatte versucht, einen Sponsor für ihre Tour zu finden, aber ohne Erfolg. In einem Interview mit der Zeitschrift Galore sagt sie dazu später:

Ich war halt vollkommen unbekannt. Ich war vorher noch nie ein Rennen gefahren, geschweige denn hatte ich eines gewonnen. Welches Unternehmen steigt schon auf eine so eine Wette ein? Zum anderen glaube ich, dass Sportlerinnen weniger Unterstützung erhalten als Sportler. Schauen Sie sich einfach an, wie viel Frauen- und wie viel Männersport im Fernsehen übertragen wird, dann wissen Sie, warum es als Frau schwerer ist, einen Sponsor zu finden. (Galore, 08/2017, S. 29)

Trotzdem fährt sie wie geplant am 23. Juli los – und wird für ihren Optimismus belohnt: Freunde und Fans unterstützen sie im Verlauf der Tour immer wieder mit Geld, damit sie übernachten und fliegen kann. Buhrings Beschreibung ihrer Fahrt um den Globus macht den Großteil des Buches aus und ist eindrucksvoll. Sie schildert Länder, Regen, Gegenwind, Stürze, Verletzungen, Pannen, atemberaubende Landschaften und immer wieder Begegnungen mit Menschen in aller Welt, die ihr helfen und freundlich sind.

Das sind die stärksten Passagen des packenden und spannenden Buches. Sie machen Lust aufs Fahrradfahren.

Auf einem Fahrrad ist … man vollkommen mit der Umgebung verwoben, nimmt alles um sich herum mit allen Sinnen auf. Man spürt jede Veränderung im Terrain, die Beschaffenheit der Straße, die Windrichtung, jede Steigung, jedes Gefälle schreibt sich in den Körper ein. Und natürlich jeder noch so kleine Wechsel in den Witterungsbedingungen. Man riecht jeden Baum und jede Blume, jeden verfaulenden Tierkadaver. Man hört jeden Vogel, jedes Insekt, jedes Säugetier. Man nimmt das Land in sich auf und das Land nimmt einen auf. Wenn Sie also eines Tages auch die Welt mit allen Sinnen erfahren wollen, schwingen Sie sich aufs Rad! (S.137)

Und dafür muss man nicht 200 Kilometer pro Tag und um die ganze Welt fahren. Diese Erfahrung kann man auch bei Tagestouren von 30, 40 oder 50 Kilometern genießen.

Juliana Buhring, Mein Weltrennen: Wie ich als erste Frau in nur 144 Tagen mit dem Rad die Welt umrundete, Riva: München 2017, Hardcover, 256 Seiten, 17,99 €.
Aus dem Englischen von Elisabeth Liebl.
(Die englische Originalausgabe erschien 2016 bei Piatkus unter dem Titel This Road I Ride.)

Im Autorinnenprofil heißt es auf der Webseite des riva-Verlags über Juliana Buhring (geboren am 2. Juni 1981 in Athen):

„Die Deutsch-Britin Juliana Buhring ist die erste Frau, die es schaffte, mit dem Rennrad die Welt zu umrunden. Bekannt ist sie auch durch ihren internationalen Bestseller Nicht ohne meine Schwestern, in dem sie ihre schwierige Kindheit bei der Sekte Children of God beschrieb. Den Entschluss zu ihrem Rad-Weltrennen, zu dem sie 2012 als Anfängerin aufbrach und von dem sie als Profi zurückkehrte, fasste sie mit 30 Jahren. Seither nimmt sie weltweit an großen Radrennen wie dem Transcontinental Race (2013), dem Trans Am Bike Race (2014) und dem RAAM (2016) teil. Inzwischen gehört sie zu den weltbesten Ultradistanz-Radprofis unter den Frauen.“

Webseite: julianabuhring.com

Siehe auch:

Übrigens: Der aktuelle Rekord für Weltumrundungen mit dem Fahrrad liegt bei 78 Tagen, 14 Stunden und 14 Minuten. Aufgestellt hat ihn der Schotte Mark Beaumont, der auch Julia Buhring zu ihrem Abenteuer inspiriert hat.

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Einige Gedanken zu “Radfahren extrem: Juliana Buhring „Mein Weltrennen“

  1. Gerhard

    Das ist ja wirklich extrem!
    Und sicher auch spannend. Als Frau besonders muß man wissen, was man macht. Die Route musste sicher genaustens geplant werden.

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