P. H. Clarke über Tigran Petrosian

clarke_petrosians_best_gamesAm 11. Dezember 2014 starb der 1933 geborene englische Schachspieler, Übersetzer und Autor Peter Hugh Clarke. Nachdem ich Malcolm Peins Nachruf in der Online-Ausgabe des Telegraph gelesen hatte, blätterte ich noch einmal in Clarkes Buch Petrosian’s Best Games of Chess, 1946-1963, einer Sammlung von 60 kommentierten Partien des Weltmeisters von 1963 bis 1969. Die Erstauflage erschien 1964 und wird heute bei amazon für 72,80 Euro gehandelt, die Taschenbuchausgabe von 1992 gibt es für stolze 497,87 Euro.

Ich besitze die gebundene Ausgabe von 1973, gekauft habe ich sie für 9,95 Pfund in der Buchhandlung Foyles in der Charing Cross Road bei meinem ersten Besuch in London. Damals gab es noch kein Internet und bestellte man in einer englischen Buchhandlung ein Buch, so musste man häufig zwei bis drei Wochen darauf warten. Dafür war das Angebot bei Foyles riesig und in der Schachbuchabteilung fiel mir Clarkes Buch über Petrosian in die Hände.

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Tigran Petrosian

Heute wirkt das Buch angenehm altmodisch. In biographischen Skizzen schildert Clarke Petrosians Aufstieg zum Weltmeister und kommentiert 60 Partien des Armeniers. In beschreibender Notation (1.P-K4 P-K3 usw.), ohne die Hilfe von Engines, aber gründlich und gut. Heute werden Schachbücher in Tageszeitungen oder Literaturbeilagen nie erwähnt, damals meinte die wöchentlich erscheinende, renommierte britische Literaturzeitschrift Times Literary Supplement „Wunderbar gemacht … wahrscheinlich Mr. Clarkes bislang bestes Werk“.

Clarke war jahrelang einer der besten Spieler Englands, vertrat sein Land bei acht Olympiaden und gewann 1956 die Silbermedaille für das zweitbeste Ergebnis am Reservebrett. Bei der Olympiade in München 1958 spielte er gegen Petrosian und es spricht für Clarke, dass er diese Niederlage in sein Buch aufgenommen hat.

Eine bemerkenswerte Angriffspartie. Ohnehin findet man in Clarkes Buch eine Reihe von hübschen und originellen Angriffspartien Petrosians, der doch vor allem in dem Ruf steht, ein Defensivkünstler gewesen zu sein. Hier noch ein Beispiel.

Nun ja, der am 17. Juni 1929 in Tiflis geborene Petrosian spielte diese Partie 1949 und auch der leidenschaftlichste Verteidiger durchläuft in der Jugend vielleicht eine Sturm-und-Drang Phase.

Doch bei folgender schöner Angriffspartie gehörte Petrosian schon zu den besten Spielern der Welt und war nicht mehr weit davon entfernt, Weltmeister zu werden.

Ein Beispiel, das zeigt, dass Weltklassespieler eben doch vielseitiger sind, als einfache Charakterisierungen ihres Spielstils suggerieren.

Malcolm Pein: P. H. Clarke: a giant of English chess
Nachruf auf P. H. Clarke beim Britischen Schachverband und im British Chess Magazine

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